Wo auch Albert Einstein irrte oder warum Flugzeuge fliegen.
Bernd Lukasch
Ist Fliegen ein Wunder? Und wenn es kein Wunder ist, warum fällt es uns so schwer zu verstehen, warum 300 Tonnen Airbus samt Passagieren auf der Startbahn des Flughafens nur Anlauf nehmen müssen, um plötzlich „schwerelos“ zu werden?
Ein Storch oder Adler dreht sogar ohne jeden Antrieb seine Runden und ein Segelflugzeug (auch immerhin einige 100 kg) ist ihnen in der Eleganz des Fluges schon fast ebenbürtig.
Wir haben uns an diese Anblicke gewöhnt. Aber verstehen? Ob Fachmann oder Laie, so ganz leicht geht einem das „Es ist kein Geheimnis, sondern Physik!“ nicht über die Lippen.
Und damit sind wir in guter Gesellschaft: Kein Geringerer als Albert Einstein beklagt 1916 in einem Artikel: "Über diese Frage herrscht vielfach Unklarheit; ja ich muß sogar gestehen, daß ich ihrer einfachen Beantwortung auch in der Fachliteratur nirgends begegnet bin.“ Seine Idee ist ein so genanntes "Katzenbuckelprofil":
Abb. 5 aus A. Einstein:"Elementare Theorie des Wasserwellen und des Fluges."
Dieses wurde tatsächlich erprobt und entwickelte die Flugeigenschaften einer „schwangeren Ente“, wie der Testpilot beschrieb. Der fand jedoch erst nach der Landung wieder zu seinem Humor. In einem Brief schrieb ihm Einstein 1954 aus Princeton: "Ich muss gestehen, dass ich mich meines damaligen Leichtsinns noch oft geschämt habe."
Was steckt also hinter der Physik des Fliegens? Ist die Materie so kompliziert, dass selbst ein Einstein strauchelt? Auch wir wollen einen Erklärungsversuch beisteuern. Als Museum interessiert uns aber besonders der Grund für die lange Geschichte der Irrtümer und die Frage, warum es so schwierig war, das Fliegen zu erfinden. Genau so nannte Lilienthal 1894 einen seiner Artikel.
Für die physikalisch exakte Erklärung gibt es inzwischen sehr gute
Darstellungen auf verschiedenstem mathematischen Niveau, denen wir
keine Konkurrenz machen wollen, z. B. die Artikel:
- Warum Fliegen Flugzeuge? - bei SWR-Wissen,
- Tragfläche und aerodynamischer Auftrieb bei wikipedia,
- Die Flugphysik bei W. Send, dessen künstlicher Vogel bei uns im Museum flattert.
Wir wollen der Frage nachgehen, warum das Verstehen des Fliegens nicht zu unserem so genannten gesunden Menschenverstand gehört. Die Antwort liefert Einstein gleich selbst. Ihm wird der Satz zugeschrieben: "Der gesunde Menschenverstand ist die Summe der Vorurteile, die man bis zu seinem 18. Lebensjahr angesammelt hat."
Und da liegt der Hase im
Pfeffer. In den besagten 18 Jahren haben wir von den
Eigenschaften der Luft wenig bemerkt. Wir können rennen,
springen und Vieles mehr. Fliegen können wir nicht, deshalb hat uns
die Natur für die Eigenschaften der Luft nicht sensibel gemacht. Sie
ist nicht zu sehen und fast nicht zu merken. Das Fliegen ist aber
nicht zu verstehen, ohne dass wir lernen, dass Luft all die
Eigenschaften hat, die wir von Honig kennen:
Luft ist schwer, träge und zäh.
Und genau diese Eigenschaften, von denen wir nichts merken, sind
für das Fliegen wichtig.
Wie schwer ist Luft?
Ein Würfel aus 1 * 1 * 1 Meter Luft hat eine Masse von 1,3 kg. Würden wir einen solchen Würfel luftdicht abschließen und auspumpen, würde auf jede Wand eine Kraft drücken, die dem Gewicht von einigen Autos entspricht (10 Tonnen). Das kann man sich nicht vorstellen sondern nur lernen. Und deshalb war das mit dem Flügel auch ein so schwieriger Lernprozess.
Versuch!
Öffne eine Getränkedose nicht wie vorgesehen, sondern indem du
ein oder zwei kleine Löcher in den Deckel stichst und den
Inhalt herauslaufen lässt. Nun fülle ein wenig Wasser hinein und
erhitze die Dose. Wenn der Wasserdampf aus dem Loch pfeift, nimm die
Dose vom Herd und verschließe die Löcher mit etwas Knetmasse. (Ein
gebrauchter Kaugummi geht auch.) Jetzt kannst du etwas vom
gewaltigen Luftdruck sehen.
--->
Die Dose wird wie von Geisterhand zusammengequetscht. Kannst du das
erklären?
Luft ist träge.
Diese Eigenschaft kennen wir. Trägheit heißt: Wir brauchen Kraft um
die Bewegung der Luft zu ändern, z. B. wenn wir uns gegen den Sturm
stemmen. Wir müssen die Luft vor unserem Körper abbremsen. Trägheit
und Gewicht hängen zusammen. Wenn der Sturm uns wegschiebt, muss die
Luft also auch ein Gewicht haben.
Luft ist zäh.
Zugegeben, diese Eigenschaft kann man sich gar nicht vorstellen. Wenn die Luftmoleküle ihre Nachbarn aber nicht mitziehen würden (das heißt Zähigkeit), würde der Flügel nicht funktionieren.
Versuch!
Bewege eine Postkarte in einigem Abstand über eine Kerze hinweg.
-->
Noch in einiger Entfernung wird die Luft mitgerissen.
Der nächste Versuch hat schon viel mit dem Flügel zu tun.
Versuch -
Der Irrtum vom Windschatten!
Stelle eine Flasche (am Besten eine durchsichtige Plastikflasche)
auf den Tisch und in den "Windschatten" eine brennende Kerze. Blase
nun gegen die Flasche. Du kannst sehen, dass die Kerze keineswegs im
Windschatten der Flasche steht. Ersetzt du die Flasche durch einen
kantigen Gegenstand, z. B. ein Buch, verhält sich der Luftstrom ganz
anders.
Diese Erkenntnis ist entscheidend für die Fliegerei: Besonders die Rückseite der Flugkörper ist wichtig. Der englische Flugpionier Sir George Cayley hat um 1800 den Körper einer Forelle untersucht und gezeichnet. Tatsächlich ähnelt ihr Körperquerschnitt sehr einem modernen symmetrischen Flugprofil, z. B. dem eines Leitwerks.
Was ist der Trick am Flügel?
Der Flügel nutzt die Eigenschaften der Luft, um aus der strömenden Luft eine möglichst große Kraft nach oben, den Auftrieb, zu erzeugen. Dazu dienen seine runde Vorderkante, seine spitze Rückseite, seine glatte Oberfläche und seine gewölbte Form. Ein perfekter Flügel (der eines Hochleistungssegelflugzeugs) schafft es, dass der Auftrieb 50 mal größer ist als die Bremskraft (der Widerstand) des Flügels im Fahrtwind.
Zum Vergleich: Wenn wir im Sturm stehen und uns gerade noch halten können, so würden wir, hätten wir Flügelform mit der 50-fachen Wucht zur Seite gerissen. Das ist doch wirklich schwer vorstellbar, oder?
Noch heute streitet man über die anschauliche Erklärung des Flügels. Und man ist jetzt wieder ganz dicht an Lilienthals Beschreibung des Geheimnisses.