Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst
(ein Reprint des Buches ist in Deutsch und Englisch erhältlich. In der Reihe "Klassische Texte der Wissenschaft" liegt eine kommentierte Neuauflage vor.)
Zur Geschichte des Buches (Vorwort zur
Neuauflage 2003)
Das Buch ist vollständig als Digitalisat verfügbar.
Inhalt
- Einleitung
- Das Grundprinzip des freien Fluges
- Die Fliegekunst und die Mechanik
- Die Kraft, durch welche der fliegende Vogel gehoben wird
- Allgemeines über den Luftwiderstand
- Die Flügel als Hebel
- Über den Kraftaufwand zur Flügelbewegung
- Der wirkliche Flügelweg und die fühlbare Flügelgeschwindigkeit
- Der sichtbare Kraftaufwand der Vögel
- Die Überschätzung der zum Fliegen erforderlichen Arbeit
- Die Kraftleistungen für die verschiedenen Arten des Fluges
- Die Fundamente der Flugtechnik
- Der Luftwiderstand der ebenen, normal und gleichmäßig bewegten Fläche
- Der Luftwiderstand der ebenen, rotierenden Fläche
- Der Angriffspunkt des Luftwiderstandes beim abwärtsgeschlagenen Vogelflügel
- Vergrößerung des Luftwiderstandes durch Schlagbewegungen
- Krafterparnis durch schnellere Flügelhebung
- Der Kraftaufwand beim Fliegen auf der Stelle
- Der Luftwiderstand der ebenen Fläche bei schräger Bewegung
- Die Arbeit beim Vorwärtsfliegen mit ebenen Flügeln
- Überlegenheit der natürlichen Flügel gegen ebene Flügelflächen
- Wertbestimmung der Flügelformen
- Der vorteilhafteste Flügelquerschnitt
- Die Vorzüge des gewölbten Flügels gegen die ebene Flugfläche
- Unterschied in den Luftwiderstandserscheinungen der ebenen und gewölbten Flächen
- Der Einfluß der Flügelkontur
- Über die Messung des Luftwiderstandes der vogelflügelartigen Flächen
- Luftwiderstand des Vogelflügels, gemessen an rotierenden Flächen
- Vergleich der Luftwiderstandsrichtungen
- Über die Arbeit beim Vorwärtsfliegen mit gewölbten Flügeln
- Die Vögel und der Wind
- Der Luftwiderstand des Vogelflügels im Winde gemessen
- Die Vermehrung des Auftriebes durch den Wind
- Der Luftwiderstand des Vogelflügels in ruhender Luft nach den Messungen im Winde
- Der Kraftaufwand beim Fluge in ruhiger Luft nach den Messungen im Winde
- Überraschende Erscheinungen beim Experimentieren mit gewölbten Flügelflächen im Winde
- Über die Möglichkeit des Segelfluges
- Der Vogel als Vorbild
- Der Ballon als Hindernis
- Berechnung der Flugarbeit
- Die Konstruktion der Flugapparate
- Schlußwort
Tafel I: | Luftwiderstand ebener, geneigter Flächen |
Tafel II: | Luftwiderstand gewölbter Flächen in ruhender Luft, rotierend gemessen. |
Tafel III: | Luftwiderstand gewölbter Flächen in ruhender Luft, rotierend gemessen. |
Tafel IV: | Luftwiderstand gewölbter Flächen in ruhender Luft, rotierend gemessen. |
Tafel V: | Schwankungen des Windes in der Höhenrichtung während 1.Minute. |
Tafel VI: | Luftwiderstand gewölbter Flächen nach den Messungen im Winde, aber ohne den verstärkten Auftrieb des Windes |
Tafel VII: | Luftwiderstand geneigter Flächen, verglichen mit dem Luftwiderstand normal getroffener Flächen. |
Tafel VIII: | Flügel eines 4 kg schweren Storches |
Vorwort
Die Kenntnis der mechanischen Vorgänge beim Vogelfluge steht
gegenwärtig noch auf einer Stufe, welche dem jetzigen allgemeinen
Standpunkt der Wissenschaft offenbar nicht entspricht.
Es scheint, als ob die Forschung auf dem Gebiete des aktiven
Fliegens durch ungünstige Umstände in Bahnen gelenkt worden sei,
welche fast resultatlos verlaufen, indem die Ergebnisse dieser
Forschung die wirkliche Förderung und Verbreitung einer positiven
Kenntnis der Grundlagen der Fliegekunst bei weitem nicht in dem Maße
herbeiführten, als es wünschenswert wäre. Wenigstens ist unser
Wissen über die Gesetze des Luftwiderstandes noch so mangelhaft
geblieben, daß es der rechnungsmäßigen Behandlung des Fliegeproblems
unbedingt an den erforderlichen Unterlagen fehlt.
Um nun einen Beitrag zu liefern, die Eigentümlichkeiten der
Luftwiderstandserscheinungen näher kennen zu lernen, und dadurch zur
weiteren Forschung in der Ergründung der für die Flugtechnik
wichtigsten Fundamentalsätze anzuregen, veröffentliche ich hiermit
eine Reihe von Versuchen und an diese geknüpfter Betrachtungen,
welche von mir gemeinschaftlich mit meinem Bruder Gustav Lilienthal
angestellt wurden.
Diese Versuche, über einen Zeitraum von 23 Jahren sich erstreckend,
konnten jetzt zu einem gewissen Abschluß gebracht werden, indem
durch die Aneinanderreihung der Ergebnisse ein geschlossener
Gedankengang sich herstellen ließ, welcher die Vorgänge beim
Vogelfluge einer Zergliederung unterwirft, und dadurch eine
Erklärung derselben, wenn auch nicht erschöpfend behandelt, so doch
anbahnen hilft.
Ohne daher der Anmaßung Raum zu geben, daß das in diesem Werke
Gebotene für eine endgültige Theorie des Vogelfluges gehalten werden
soll, hoffe ich doch, daß für jedermann genug des Anregenden darin
sich bieten möge, um das schon so verbreitete Interesse für die
Kunst des freien Fliegens noch mehr zu heben. Besonders geht aber
mein Wunsch dahin, daß eine große Zahl von Fachleuten Veranlassung
nehmen möchte, das Gebotene genau zu prüfen und womöglich durch
parallele Versuche zur Läuterung des bereits Gefundenen beizutragen.
Ich habe die Absicht gehabt, nicht nur für Fachleute, sondern für
jeden Gebildeten ein Werk zu schaffen, dessen Durcharbeitung die
Überzeugung verbreiten soll, daß wirklich kein Naturgesetz vorhanden
ist, welches wie ein unüberwindlicher Riegel sich der Lösung des
Fliegeproblems vorschiebt. Ich habe an der Hand von Tatsachen und
Schlüssen, die sich aus den angestellten Messungen ergaben, die
Hoffnung aller Nachdenkenden beleben wollen, daß es vom Standpunkt
der Mechanik aus wohl gelingen kann, diese höchste Aufgabe der
Technik einmal zu lösen.
Um mich auch denen verständlich zu machen, welchen das Studium der
Mathematik und Mechanik ferner liegt, also um den Leserkreis nicht
auf die Fachleute allein zu beschränken, war ich bemüht, in der
Hauptdarstellung mich so auszudrücken, daß jeder gebildete Laie den
Ausführungen ohne Schwierigkeiten folgen kann, indem nur die
elementarsten Begriffe der Mechanik zur Erläuterung herangezogen
wurden, welche außerdem soviel als möglich ihre Erklärung im Texte
selbst fanden. Weitergehende, dem Laien schwer verständliche
Berechnungen sind darin so behandelt, daß das allgemeine Verständnis
dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Wenn hierdurch denjenigen, welche an den täglichen Gebrauch der
Mathematik und Mechanik gewöhnt sind, die Darstellung vielfach etwas
breit und umständlich erscheinen wird, und diesen Lesern eine
knappere Form wünschenswert wäre, so bitte ich im Interesse der
Allgemeinheit um Nachsicht. Somit übergebe ich denn dieses Werk der
Öffentlichkeit und bitte, bei der Beurteilung die hier erwähnten
Gesichtspunkte freundlichst zu berücksichtigen.
Otto Lilienthal