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erstmalig veröffentlicht in Mitteilungen des Museumsverbandes in MV, 2004
bezüglich technischer Weiterentwicklung hier aktualisiert

Inventar und Computer
eine neue Lösung für ein altes Problem

Bernd Lukasch, Hans-Dieter Hein

Wenn es um den Kernbereich der Museumsarbeit geht - um die Inventarisierung und Katalogisierung der Sammlung - dann sind Museumsleute sehr konservativ. Friedlich nebeneinander beherbergt der Karteischrank in seinen Schüben vor 100 Jahren in deutscher oder Sütterlinschrift geschriebene Karten neben solchen nach Knorr, mit der Schreibmaschine ausgefüllt. Viele Aufs und Abs des Museums hat das System überdauert und flößt uns - schwarz auf weiß - nach wie vor Vertrauen ein. Die Karten, nach aufsteigenden Inventarnummern sortiert, sind nach wie vor verlässliche Dokumentation der Sammlung. Eigentlich ist also kein Handlungsbedarf gegeben, wären da nicht die verlockenden Möglichkeiten, die der Computer nun einmal bietet, auch für die Arbeit im Museum. Nur einige sollen genannt sein:

Die einmal digitalisierten Daten lassen sich beliebig sortieren, z. B. nach Standorten, nach dem Sammlungsgebiet oder nach ihrer Zeitstellung;

Genau so unkompliziert kann man in Sekundenschnelle nach jeder erfassten Information suchen.

Doppeleintragungen und Datenverluste durch Schreibfehler oder Sortierfehler lassen sich einfach verhindern.

Und, Computer sind konsequent: Keine unleserliche Randnotiz, kein angehängter Merkzettel zur späteren Bearbeitung.

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bequeme Objektverwaltung im Internet-Browser

Anlässlich einer Ausstellungsvorbereitung oder Anfrage zum Beispiel wird nach einem Sammlungsstück gesucht. Die Frage könnte lauten: "Welches hauswirtschaftliche Objekt bietet unsere Sammlung, das städtisches Handwerk um 1850 repräsentiert?" Da ist unsere Kartei hilflos. Diese Frage beantwortet sicher der Kollege, der schon zwei Umzüge des Depots mitgemacht hat, kaum aber unser Karteischrank.

Inzwischen empfängt uns jede Bibliothek mit ihrem digitalen Katalog und selbst unser im Museum sauer verdientes Geld übergeben wir der Bank zur digitalen Verwaltung. Es kann also nicht mehr die Frage sein, ob, sondern nur die, wie wir unser Inventar dem Computer anvertrauen.

Diese Frage beantworten heißt meistens, sich für eine der angebotenen Softwarelösungen zu entscheiden. Diese Entscheidung jedoch ist ein risikoreicher Blick in die Zukunft und für das Museum recht folgenschwer.

Jeder kennt das Problem beim Softwarekauf: Die Eignung oder Nichteignung, das Anfreunden mit der Software oder der Ärger darüber stellt sich erst nach oft monatelanger Benutzung ein, wenn in die besonderen und entlegenen Features eingedrungen wurde, wenn selbst kleine Fehler oder Ungeschicklichkeiten in der täglichen Arbeit zum Ärgernis werden. Selbst die kulanteste "Erprobungsphase", die der Verkäufer einräumt ändert nichts daran, dass man Software fast immer "im Sack", in der Regel auf Empfehlung anderer Nutzer kauft.

Größer als beim häuslichen Softwarekauf aber ist ein anderes Problem: Die Daten, die wir dem Computer heute anvertrauen, sollen auch in 100 Jahren noch nutzbar sein. Dieser vorgetragene Anspruch erzeugt beim Softwarehändler nur ein mitleidiges Lächeln.

Ein Drittes: Die Anschaffung der Software ist nur die Voraussetzung für die Arbeit. Steht nach dem Ankauf nicht ausreichend Zeit und Personal zur Verfügung um die neue Software mit Daten zu füllen, sollte es die Software zumindest gestatten, dass übergangslos weitergearbeitet werden kann, keine "Umstellung" erforderlich ist, nicht zwei Systeme nebeneinander existieren oder schlimmstenfalls sogar "zur Sicherheit" nebenbei weiter konventionell inventarisiert wird. Sind beide Voraussetzungen nicht gegeben, wird sich das neue Programm schnell vom ehrgeizigen Projekt zur ungeliebten und unerledigten Aufgabe entwickeln und früher oder später ganz zur Fehlinvestition.

Die hier zu beschreibende Variante zur Nutzung der Techniken des Internets, der wir den Namen museum.net gegeben haben, ist genau dieser Angst geschuldet. Sie kam von einer Anklamer Firma, die seit Jahren für das Museum arbeitet und daher gut mit unseren Wünschen vertraut ist. Tatsächlich bestand Erklärungsbedarf, was denn die Technologien des World-Wide-Web mit den streng gehüteten Inventarkarteien des Museums gemein haben könnten. Aber, so erklärten uns die Software-Experten: Was passiert denn, wenn man im Internet nach einer Telefonnummer sucht, per online-Handel Bücher bestellt oder sich in einer online-Bibliothek Rat sucht? Man greift gezielt und selektiv auf riesige Datenbestände zu. Der Inhaber der Datenbank hat genau festgelegt, welche Daten welchem Nutzer zur Verfügung stehen. In rasanter Geschwindigkeit erhalte ich als Nutzer die Antwort, ohne dass man sich über kompatible Software einig werden musste, ohne dass ein Lehrgang zur Benutzung der Kataloge erforderlich wäre. Streng festgelegt ist für jeden Nutzer, welche Daten er sehen, ergänzen oder ändern kann. Das sind Eigenschaften, die sich gut auf das Museumsinventar oder das Findbuch des Museumsarchivs übertragen lassen.

Aus der Idee entwickelte sich das Projekt museum.net, welches seit 2003 im Otto-Lilienthal-Museum eingeführt ist und seitdem auch Skeptiker überzeugt hat. Grund für den Erfolg ist vor allem die Tatsache, dass ohne Umstellung nahtlos in der bisherigen Form weitergearbeitet werden konnte. Keiner der bereits digitalisierten Datenbestand wurde verworfen, aber viele zusätzliche Möglichkeiten hatten sich ergeben. Die Software orientiert sich streng an der bisherigen Verfahrensweise des Museums. Inzwischen sind Objekte, Bilder und Bibliotektskataloge** nicht nur auf einem Gästearbeitsplatz im Museum sondern online zugänglich. Die Software wurde bereits für verschiedene andere Museen im Land angepasst (z. B. ebenfalls als online-Datenbank im Museum im Steintor oder offline im Atelier Otto Niemeyer-Holstein, im Landschulmuseum Göldenitz und im Fritz-Reuter-Literaturmuseum).

Eine häufig gestellte Frage soll nicht unbeantwortet bleiben: Kann denn eine in einem kleinen Museum erstellte Kundenwunsch-Software sinnvoll sein, wenn gleichzeitig in großen Häusern und langjährigen Forschungsprogrammen an der Entwicklung von Profi-Software gearbeitet wird? Diese Frage ist nicht neu. Wurden vor einigen Jahrzehnten in Forschungs- oder Verwaltungseinrichtungen zentrale Rechenzentren geschaffen, denen in Netzwerken die Daten zur Verarbeitung zugeführt wurden, ist heute der Personalcomputer, das Rechenzentrum am Arbeitsplatz, der Standard. Ein ähnlicher Ideologiewandel vollzog sich bei der Datensicherung in zentralen Archiven. War man vor Jahren der Meinung, man müsse mit den wertvollen Datenbeständen auf bestimmten Datenträgern auch die entsprechende Hardware erhalten, um die Datenbestände langfristig lesen zu können (Magnetbandlaufwerke etc.), spricht man heute von der Erhaltung des data-streams. Nicht die Auswahl des geeigneten Speichermediums steht im Vordergrund, sondern die Sicherung der verlustlosen Überführung der Datenbestände auf die immer neuen Speichermedien. Für die Museumssoftware heißt das: Nicht die Software der Museumsarbeit ist zu standardisieren, dazu sind die Arbeitsweisen in verschiedenen Museen zu unterschiedlich, sondern das Format zur Aufzeichnung und zum Austausch der Daten mit dem Ziel der langfristige Erhaltung.

Logo DDBEin solcher Standard heißt museumdat (heute LIDO) und ist Voraussetzung für den Export der Daten in globale Kulturgut-Datenbanken (die europäische Europeana, die Deutsche Digitale Bibliothek, und museum-digital als nationales Museumsportal). Ein entsprechender Exportbaustein ist im museum.net integirert.

museum.net konkret

Im Folgenden seinen einige Eigenschaften von museum.net hervorgehoben:

museum.net arbeitet auf der Basis der Internet-Technologien. Auf Grund von deren Verbreitung als weltweitem Standard ist die wohl größte gegenwärtig mögliche Zukunftssicherheit des Datenbestandes gegeben. Außerdem benötigt ein zusätzlicher Arbeitsplatz keine neue Lizenz oder Software. Der neue Computer muss lediglich mit dem lokalen Netz oder dem Internet verbunden werden und ist sofort, mit jedem beliebigen Internet-Browser arbeitsfähig.

Eine Herstellerbindung besteht lediglich urheberrechtlich. Der Quellcode der Software ist offen und für jeden Programmierer mit Datenbank- und Internet-Erfahrung verständlich und damit veränder- und anpassbar.

Alle Daten sind unabhängig vom museum.net in einer Datenbank gespeichert. Die Daten sind jederzeit auch mit der jeweils zugrunde liegenden Datenbanksoftware zugänglich.

museum.net ist an keine bestimmte Datenbank-Software gebunden. Jeder vorhandene Datenbestand kann Grundlage des Systems sein, so dass mit bereits vorhandenen Datenbanken "nahtlos" weitergearbeitet werden kann.

In der vorliegenden Lösung wurde eine Druckfunktion vorgesehen, die die traditionelle Inventarkarte ("Knorr-Karte") des Museums liefert.

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digitale Inventar-Karte "nach Knorr"

In der speziellen Lösung für das Otto-Lilienthal-Museum wurden beispielsweise folgende Features verwirklicht:

Es wurden verschiedene Benutzerprofile mit unterschiedlichen Nutzungsrechten festgelegt: Gast, Praktikant, Mitarbeiter, Administrator.

Folgende Datenbestände sind über eine einheitliche Oberfläche erreichbar:

• Inventar (Objekte = Musealien)

• Facharchiv und Bibliothek (beinhaltet auch ein Archiv ausgewerteter Zeitschriftenaufsätze, Patente, Karten und Plakate)

• Bildersammlung

• ein zweistufiger Thesaurus zur Verschlagwortung aller Daten

Sowohl Bilder als auch Archivalien lassen sich als Digitalisate verwalten.

Systemvoraussetzungen, technische Angaben:

Kosten (Beispiel):

Kosten für die Serversoftware fallen nicht an. Jedoch sind serverseitig regelmäßige Sicherheitsupdates und Backups erforderlich. Zusammen mit den Providerkosten sind ca. 80 EUR/Monat in Form eines Wartungsvertrages zu veranschlagen.

Die für die Arbeitsstationen (Clients) erforderliche Software (Browser) ist kostenlos und in der Regel auf jedem Rechner vorinstalliert.

Individual-Software museum.net mit Installation vor Ort (ca. 1100 EUR).

Anpassung an vorhandene Datenbestände, museumsspezifische Anpassungen nach Aufwand (ab 100 EUR).

Weiterentwicklung zum online-Projekt

Seit 2008 arbeitet museum.net im online-Modus, "in der cloud", wie man jetzt sagt. Im Museum befindet sich lediglich eine Sicherungskopie der Datenbanken. Dadurch ist nicht nur jede Änderung, jeder Neuzugang sofort und ohne Zeitverzug veröffentlicht (sofern die Daten zur Veröffentlichung freigegeben sind), sondern auch für die Mitarbeiter ergeben sich neue Möglichkeiten: Museumsmitarbeitern steht der vollständige Schreib-Zugriff von jedem Ort mit Internet-Zugang auch außerhalb des Museums zur Verfügung. Dies kann der Lesesaal einer Bibliothek oder, per Mobilfunk, ein entlegenes Außendepot des Museums sein.

Weiterentwicklung bezüglich mobilen Internets

Im Jahr 2012 hat das Museum in der Ausstellung und in der Nikolaikirche Internet-basierte Führungssysteme eingeführt. Die Inhalte sind natürlich in einer Datenbank gespeichert und damit mit dem vorgestellten System vollständig kompatibel. Denkbar ist, künftig über so genannte QR-Codes am Objekt direkt auf die Objektdaten zuzugreifen - der Besucher aus der Ausstellung und der Mitarbeiter aus dem Depot.

Das Projekt wurde gefördert durch das Land Mecklenburg-Vorpommern.

Anfragen und weitere Informationen zur Nachnutzung des Programms unter museumnet.eu.

** In jüngeren Veröffentlichungen wird die globale Verwaltung digitaler Daten, über die Objektdatenbank hinaus mit dem Kürzel DAM (Digital Asset Management) bezeichnet.