Die Flugzeugkonstruktionen Lilienthals
- frühe Konstruktionen
- Derwitzer Apparat, 1891
- Südende-Apparat, 1892
- Maihöhe-Rhinow-Apparat, 1893
- kleiner Schlagflügelapparat, 1893-96
- Normal-Apparate, ab 1894
- Sturmflügelmodell, 1894
- Vorflügelapparat, 1895
- kleiner Doppeldecker, 1895
- großer Doppeldecker, 1895
- großer Schlagflügelapparat, 1896
- andere Entwürfe und Konstruktionen
Seine manntragenden Flugzeuge sind für Lilienthal
Experimentiergeräte.
Sie werden während der Flugversuche verändert oder umgebaut. Neun
unterschiedliche Flugzeugkonstruktionen sind fotografisch belegt. Zu
mehreren weiteren Gleitern existieren Ideen oder Konstruktionspläne.
Bis heute erhalten sind nur Teile des "Normalapparates" und des
"kleinen Doppeldeckers".
"Die Flugzeuge von Otto Lilienthal. Technik - Dokumentation - Rekonstruktion" enthält alle bekannten Quellen und die sich daraus ergebende Dokumentation aller Flugapparate Lilienthals.
Frühe Flugzeugkonstruktionen
Die ersten Flugzeugkonstruktionen Lilienthals sind fotografisch
nicht belegt.
Es existieren Vorstudien und verschiedene Konstruktionszeichnungen.
Vermutlich entstehen mehrere Apparate unterschiedlicher Größe. Mit
ihnen werden Sprünge von einer Rampe und Stehversuche im Wind
durchgeführt.
Spannweiten: 4,4 bis 11,0 m
Fläche: 2,6 bis 10,0 m²
max. Tiefe: 1,0 bis 1,6 m
Im Museum ist der Versuch einer maßstäblichen Rekonstruktion (1:5) des Flugapparates "Möwe", 1889 ausgestellt.
Derwitzer Apparat 1891
Erstes erfolgreiches manntragendes Flugzeug der Welt, Flugweiten bis 25 m (Derwitz/Krielow in Brandenburg). Der Apparat wurde während der Flugversuche verändert. Heute nehmen wir an, dass beide existierenden Fotoserien den Apparat in der bereits reduzierten Größe zeigen.
Spannweite:
ca. 7,6 - später 5,5 m
Fläche:
ca. 10 - später 8 m²
Flügelwölbung (Pfeilhöhe):
1/10 der Tiefe
max. Tiefe: 1,7 m
Länge: 3,9 m
Masse: 18 kg
Rekonstruktion nach Beschreibung und Fotografien (S. Nitsch)
Südende-Apparat 1892
Von Lilienthal als "über Lehrgerüst gebauter Segelapparat"
bezeichnet.
Es handelt sich um einen aerodynamisch ausgefeilten Aufbau mit
teilweise beidseitiger Bespannung. Flüge bis 80 m Weite (aus 10 m
Absprunghöhe).
Aus dem Schrifttum ergibt sich die wahrscheinliche Existenz eines
weiteren Apparates mit ähnlichem Aufbau aber abweichender Größe.
Spannweite: 9,5 m
Fläche: 14,7 m²
Flügelwölbung 1/20 der Tiefe
max. Tiefe: 2,5 m
Länge: 5,6 m
Masse: 24 kg
Rekonstruktion (S. Nitsch) im Museum
Maihöhe-Rhinow-Apparat 1893
Bezeichnungen Lilienthals: "Zusammenklappbarer Flugapparat von 14
qm Tragefläche" und "Modell 93". Erster Apparat der neuen,
zusammenklappbaren, fledermausartigen Konstruktionsform.
Zusammengeklappt hat der Apparat etwa die Maße 2,0 m x 3,2 m x 0,5
m. Das Flügelprofil wird über eingeschobene "Profilschienen"
erzeugt. Es läßt sich dadurch sogar verändern.
Die Bauform wird patentrechtlich
geschützt und Grundlage der später "Normalapparat"
genannten Flugzeugkonstruktion. Auf der Maihöhe errichtet er einen
vier Meter hohen Schuppen als Absprungrampe. Bei Stölln / Rhinow
(Brandenburg) wurden von einer 60 m hohen Erhebung 250 m weite Flüge
ausgeführt.
Spannweite: 6,6 oder 7 m
Fläche: 14 m²
max. Flügeltiefe 2,5 m
Länge: 4,35 m
Masse: 20 kg
Rekonstruktion durch S. Nitsch
Kleiner Schlagflügelapparat 1893-96
Versuch, in das nun zuverlässig funktionierende Gleitflugzeug einen Schlagflügelantrieb zu integrieren. Geplant war sowohl der Muskelkraft- als auch ein motorischer Antrieb, 1894 war ein erster Kohlensäure-Motor einsatzbereit und wurde erprobt. Die Ergebnisse des Schlagflügelantriebes waren zunächst wenig ermutigend, trotzdem hält Lilienthal am Versuch der technischen Nachahmung des Flügelschlages fest.
Spannweite: 6,8 m
Fläche: 12 m²
max. Tiefe 2,5 m
Motor - Gewicht: 5,5 kg
(etwa 10 kg einschließlich CO2- Flasche)
Rekonstruktion mit Motor:
S. Nitsch
Normalapparate ab 1894
Über die konstruktive Zwischenstufe "Modell Stölln", entsteht der "Normalsegelapparat" als Standardeindecker. In leicht abweichenden Plänen sind auch "Seilers Apparat" und "Modell Lambert" belegt. Heute sind 9 Käufer namentlich bekannt. Aber bereits 1893 sind Flugapparate verkauft worden. Vier Normalapparate sind in Museen erhalten (London, Moskau, München (Fragment), Washington). Es wird ein "Prellbügel" verwendet, der die Wucht des Aufpralls bei einem Absturz mildert. Der Normalsegelapparat wird später auch zum großen Doppeldecker erweitert.
Spannweite: 6,7 bis 7,1 m
Fläche: 13,0 bis 13,6 m² max. Tiefe 2,4/2,5 m
Länge: 4,9 bis 5,3 m Masse: ca. 20 kg
im Museum: Nachbauten Normalapparat (Richter, 1925), Nitsch (mehrere) und maßstäblicher Nachbau (1:5) des Modells Stölln.
Sturmflügelmodell 1894
Unter Beibehaltung der Konstruktionsprinzipien gebauter Apparat mit verkleinerter Tragfläche für stärkeren Wind. Das Gerät wurde später zum kleinen Doppeldecker erweitert. Das Original der Tragfläche ist im Technischen Museum Wien erhalten.
Spannweite: 6,0 m
Fläche: 9,7 m²
max. Tiefe 2,0 m
Länge: 4,5 m
Nachbauten: I. Legat und J. Jung (letzt. als Leihgabe bei der ICAO, Montreal (Internationale Luftverkehrs-Organisation)
Vorflügelapparat 1895
Mit dem "Experimentiergerät" entsteht ein großer Eindecker, an dem verschiedene Steuerungssysteme erprobt werden. Am auffälligsten ist eine vordere Flügelklappe, die immer wieder auftretende Stürze bei negativem Anstellwinkel verhindern sollte. Ferner wurde eine Verwindungssteuerung und drehbare Widerstandsflächen erprobt.
Spannweite: 8,8 m Fläche: 19,0 m² max. Tiefe 3,0 m Länge: 5,6 m
Rekonstruktion mit allen bekannten Steuervorrichtungen: S. Nitsch
Kleiner Doppeldecker 1895
Doppeldecker auf der Basis des Sturmflügelmodells. "Es muß dann dasselbe Resultat sich ergeben, als wenn eine einzige Fläche die doppelte Tragfähigkeit besitzt, aber wegen ihrer Kleinheit den Schwerpunktveränderungen genügend gehorcht", beschreibt Lilienthal sein Ziel. Die Ergebnisse sind überzeugend. Bis heute erhalten ist nur die untere Tragfläche im Technischen Museum Wien.
Spannweite: 6,0 / 5,2 m
Fläche: 9,7 / 9,8 m²
max. Tiefe 2,2 / 2,1 m Länge: 4,8 m
Rekonstruktionen J. Jung (1:1) und S. Nitsch (1:5)
Großer Doppeldecker 1895
Die hervorragende Flugleistung und Steuerbarkeit des kleinen Doppeldeckers sind Anlass, auch den Normalapparat mit einer 2. Tragfläche zu versehen.
Spannweite: 6,6 / 6,3 m
Fläche: 13,6 / 10,4 m²
max. Tiefe 2,3 / 2,3 m
Länge: 4,9 m
Rekonstruktion (S. Nitsch)
Großer Schlagflügelapparat 1896
Weiterentwicklung des Schlagflügelapparates von 1893, der wiederum mit einem Motor ausgerüstet wurde. Der Apparat wurde fertiggestellt, aber nicht mehr erprobt. Der Apparat wurde noch 1906 und 1907 auf Ausstellungen gezeigt, ist aber nicht erhalten.
Spannweite: 8,5 m Fläche: 17,5 m² max. Tiefe 2,5 m Länge: 5,3 m
Maßstäbliche Rekonstruktion (1:5) im Museum
andere Entwürfe und Konstruktionen
Neben den detailliert rekonstruierten Flugzeugkonstruktionen sind Skizzen, Entwürfe und Überlieferungen erhalten, die keine Rekonstruktion oder genaue Zuordnung gestatten. Ein als Zeichnung überlieferter "großer Eindecker" wurde vermutlich nicht realisiert. Es gibt Skizzen zur Realisierung des Flügelschlags und zu einem Muskelkraft-Hubschrauber. Zusammen mit dem Projekt des zusammenklappbaren Flügels (Fledermaus-Prinzip) wurde auch eine Tandem-Anordnung zweier hintereinanderliegender Tragflächen erwogen, wie sie später von mehreren Flugtechnikern verwendet wurde.
Bei Lilienthals Tod ist ein Gelenkflügelapparat fast versuchsfertig, der eine mechanische Schwerpunktverlagerung des Piloten gestattet. Über konstruktive Details ist sehr wenig bekannt. Eine Entwurfszeichnung für eine völlig veränderte Bauform wird mit dieser letzten Konstruktion Lilienthals in Verbindung gebracht (Versuch einer maßstäblichen Rekonstruktion (1:5) im Museum - siehe Abb.).
Spannweite: 9 m Fläche ca.: 20 m² max. Tiefe: 2,8 m
Das Projekt eines Kippflügel-Schlagapparates wurde wegen der abweichenden Bauform zunächst vor 1893 eingeordnet. Es handelt sich aber vermutlich um einen neuen Schlagflügelapparat, der zusammen mit dem noch realisierten Apparat in neuer Bauform im Jahre 1896 projektiert wurde. Realisiert wurde dieser dritte Flügelschlagapparat aber vermutlich nicht mehr.