Zur zeitgenössischen Rezeption Lilienthals in den USA
Christopher Denda
Otto Lilienthal gehört unzweifelhaft zu den wichtigsten Luftfahrtpionieren. Aber das sagt erst einmal noch wenig über die Bekanntheit unter seinen Zeitgenossen in einer noch nicht globalisierten Welt aus, in der Korrespondenzmöglichkeiten lediglich per Post erschwinglich waren. Denn das erste dauerhafte Telegrafenkabel zwischen Europa und Nordamerika wurde erst 1866 verlegt und Telegramme kosteten damals noch bis zu zehn Dollar pro Wort, so dass diese Form der Kommunikation für Privatleute nicht erschwinglich war. [1] Entsprechend war es nicht selbstverständlich, dass von Erfindungen über das eigene Land hinaus Notiz genommen wurde.
umfangreicher Artikel in "The Journal" vom Herausgeber William Randolph Hearst vom 3. Mai 1896
Das Otto Lilienthal jedoch weltweit, und so auch in Amerika große Bekanntheit erlangte, lässt sich auf zwei Faktoren zurückführen. Einerseits auf die große Bewunderung, mit dem den Gebrüdern Orville und Wilbur Wright in den Vereinigten Staaten gedacht wird. Sie führten 1903 den ersten kontrollierten gesteuerten Motorflug der Welt nach dem Prinzip „schwerer als Luft“ durch. Die Wrights bezeichneten sich selbst als Schüler Lilienthals. Welchen Wilbur Wright 1912 als „ohne Zweifel den Größten der Vorläufer“ [2] charakterisiert. Und nach eigener Aussage war es erst die Nachricht vom Tod Otto Lilienthals 1896, die sie dazu veranlasste sich intensiver mit Flugproblemen zu beschäftigen. [3] Das Nationaldenkmal der Gebrüder Wright in North Carolina wird dabei jährlich von mehr als 400.000 Menschen besucht. [4] Im Mary Baker Engen Restoration Hangar des Steven F. Udvar-Hazy Center in Chantilly, Virginia, welches zum Smithsonian National Air and Space Museum gehört, ist einer von fünf erhaltenen Originalgleitern Otto Lilienthals von 1895/96 ausgestellt. Auch dort wird Lilienthal als „der bedeutendste Luftfahrtexperimentator vor den Gebrüdern Wright“ [5] Andererseits lässt sich die Faszination für Lilienthal, welcher in Zeitungsberichten oft den Beinamen „the flying man“ (dt.: „der fliegende Mann“) erhielt, auch damit begründen, dass die Eroberung der Luft schon seit der Antike ein Traum der Menschheit war. Beispielhaft lässt sich dies an der Ikarus Sage ablesen. Und genau jener Faszination entsprach Lilienthal insbesondere dadurch, dass seine Flüge so intensiv fotografisch festgehalten wurden. So schreibt das Smithsonian National Air and Space Museum, dass
Das dies aus Sicht Otto Lilienthals wiederum nicht der Fall war, sondern seine Forschungen auf großes Interesse stießen, lässt sich auch daran ablesen, dass sein 1889 erschienenes Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“, obwohl er den Druck für die 1.000 Exemplare umfassende deutsche Erstauflage selbst finanzieren musste, 1910 in zweiter ergänzter Auflage erschien, um den mittlerweile realisierten Motorflug Rechnung zu tragen. Übersetzungen erschienen 1905 ins Russische und 1911 auch ins Englische. [7] Dabei lässt sich die Bekanntheit und Bedeutung Otto Lilienthals unter anderem daraus ermessen, dass die Tageszeitung „Brooklyn Daily Eagle“, welche zeitweise die nachmittägliche Tageszeitung mit der höchsten Auflage in den gesamten Vereinigten Staaten war [8], 1894 eine Richtigstellung abdruckte, dass die Berichte über einen schwerwiegenden Unfall Lilienthals bei einem seiner Versuche nicht korrekt sind, sondern dass er komplett unverletzt bliebt und auch die Maschine selbst nur leicht beschädigt wurde. [9] Und auch über seinen Tod wurde bereits einen Tag später in amerikanischen Tageszeitungen, wie dem New York Harald [10], welcher auf eine tägliche Auflage von ca. 84.000 kam [11], berichtet.