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Bekanntmachung Otto Lilienthals
für die Arbeiter und Angestellten seiner Fabrik vom 12. März 1890

Um das Interesse meiner Arbeiter an dem Geschäftsbetriebe zu heben und ihnen Gelegenheit zu bieten, ihr Einkommen durch eigenes Zuthun entsprechend ihren Leistungen zu vermehren, beabsichtige ich, unter Fortfall der Accordarbeiten. Beibehaltung der jetzigen Lohnsätze und der bisherigen Fabrik-Ordnung eine Betheiligung derselben am Reingewinn des Geschäftes und zwar zunächst in Höhe von 25% desselben einzuführen.

Ungefähr zwei Drittel dieser Summe, die nach dem Durchschnittsgewinn der letzten Jahre angenommen wird, soll schon nach Maassgabe der Monats-Abschlüsse im Laufe des Jahres in monatlichen Raten ausgezahlt werden, und zwar am letzten Sonnabend jedes Monats, entsprechend dem jedem Einzelnen gezahlten Lohnbetrage. Der Rest gelangt nach Abschluss der Inventur zur Vertheilung.

Ich gehe hierbei von der Ueberzeugung aus, dass durch regen Fleiss und gesteigerte Umsicht jedes einzelnen Arbeiters die Gesammtleistung der Fabrik derart vermehrt werden kann, dass schon trotz der monatlichen Gewinnauszahlung die Contobilanz eine durchschnittlich vermehrte Zunahme aufweist und dass bei der Inventur der Reingewinn auch nach Abzug von 25% desselben ohne Vergrösserung der Fabrik sich vermehren wird.

Auf diese Weise liegt es im Interesse eines Jeden, durch stetigen Fleiss, sowie durch möglichste Schonung von Material und Werkzeug die Gesammtleistung der Fabrik zu heben, um dadurch sein Einkommen zu verbessern.

Wer daher nicht in jeder Beziehung bestrebt ist, alle Arbeiten, sowohl in der Fabrik als bei der Aufstellungen so gut und schnell wie möglich auszuführen, schädigt sich selbst und seine Mitarbeiter, weil nur durch die äusserste Befriedigung unserer Abnehmer, durch tadellose und schnelle Lieferung etc. eine Gewinnvermehrung erzielt werden kann.

Anspruch auf Gewinnbetheiligung hat jeder, welcher sich durch eine dreimonatliche Thätigkeit in der Fabrik mit den Specialitäten derselben vertraut gemacht und sich darin bewährt hat.

Bei etwaigem Austritt aus der Fabrik wird der Gewinnantheil bis zum Tage des Austrittes vergütet, jedoch erfolgt die Auszahlung desselben erst am Schlusse des Monats nach erledigter Verrechnung.

Die ganze Einrichtung wird als ein Versuch betrachtet, und soll nach der nächsten Inventur dauernd eingeführt werden, wenn sich dieselbe als vortheilhaft für jeden Betheiligten bewährte.

Dieselbe soll vom 1. März cr. an Gültigkeit haben.
BERLIN, den 12. März 1890.

[gestempelt]: Otto Lilienthal, Maschinenfabrik, Köpenickerstrasse 110.

NB. Wer vor der Inventuraufnahme austritt, hat an die Restgewinn-Vertheilung keinen Anspruch.